Der Petitionsausschuss des Landtags Mecklenburg-Vorpommern hatte am 3. Dezember 2020 zu einer öffentlichen Beratung zum Thema „Forschungen zur Jugendhilfe der DDR“ die Landesbeauftragte für MV für die Aufarbeitung der SED-Diktatur Anne Drescher, ihren Stellvertreter Burkhard Bley, Dr. Anke Dreier-Horning vom Deutschen Institut für Heimerziehungsforschung sowie zwei Vertreter des Bildungsministeriums eingeladen.
Im Anschluss an die Beratung hat der Petitionsausschuss beschlossen, die Petition aufgrund des von den Sachverständigen festgestellten Forschungsbedarfs an die Landesregierung und die Fraktionen des Landtags zu überweisen. Geprüft werden soll die Unterstützung des Landes für weitere Forschungen.
Die Beratung wurde auf Video aufgezeichnet, das Video finden Sie hier.
Den Beitrag des Landtags zur öffentlichen Beratung des Petitionsausschusses vom 3. Dezember 2020 im Wortlaut finden Sie unter folgendem Link auf der Webseite des Landtags Mecklenburg-Vorpommern sowie hier:
03.12.2020
Der Petitionsausschuss berät zur Jugendhilfe der DDR
Der Petitionsausschuss hat in seiner heutigen Sitzung mit dem Petenten, der Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur Anne Drescher und ihrem Stellvertreter Burkhard Bley, mit Dr. Anke Dreier-Horning vom Deutschen Institut für Heimerziehungsforschung sowie zwei Vertretern des Bildungsministeriums zu der Frage beraten, ob die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in DDR-Kinderheimen ausreichend erforscht ist und hier ggf. Initiativen des Landes erforderlich sind.
Der Petent, der als Achtjähriger für zwei Jahre gegen den Willen seiner Eltern in einem Spezialkinderheim untergebracht war, machte anhand seiner eigenen Geschichte deutlich, dass wissenschaftliche Untersuchungen den Betroffenen zum einen helfen, ihr Schicksal zu verstehen, und auf der anderen Seite eine wesentliche Grundlage für ihre Rehabilitierung sind. Er erfahre immer wieder die Stigmatisierung durch die Heimunterbringung – eine Erfahrung, die er mit tausenden Betroffenen teile.
Dies bestätigte die Landesbeauftragte Anne Drescher. Sie dankte dem Petitionsausschuss für die öffentliche Beratung, da das Thema und die vom Unrecht Betroffenen damit auch eine Würdigung erfahren. In der DDR seien etwa 135.000 Kinder und Jugendliche, davon 16.000 in den damaligen drei Nordbezirken, in Spezialeinrichtungen wie Spezialkinderheimen und Jugendwerkhöfen untergebracht gewesen. Sie hätten viel Unrecht erlebt. Noch heute meldeten sich jährlich hunderte Betroffene bei ihr, um die vielen Fragen zu ihrer Heimzeit klären und ihren Frieden machen zu können. Der stellv. Landesbeauftragte Burkhard Bley ergänzte, dass im Unterschied zu den normalen Kinderheimen in den Spezialkinderheimen Methoden der schwarzen Pädagogik zur Anwendung gekommen seien, um Kinder, die als schwer erziehbar eingestuft wurden, zu angepassten sozialistischen Persönlichkeiten zu erziehen.
Die Landesbeauftragte Anne Drescher und Dr. Anke Dreier-Horning unterstützten den Petenten, der im Ergebnis seiner mehrjährigen intensiven Recherchen zur Jugendhilfe der DDR zu der Meinung gekommen war, dass dieser Bereich nur unzureichend erforscht ist. So attestierten sie Forschungslücken beispielsweise zum System der Jugendhilfe, zur Verknüpfung zwischen der Staatssicherheit und dem Referat Jugendhilfe und zu den Mitarbeitern sowohl der Jugendhilfereferate als auch der -einrichtungen sowie Bedarf in der regionalen Forschung. Zudem kritisierte Dr. Anke Dreier-Horning, dass Einrichtungen der DDR-Jugendhilfe kein Bestandteil der universitären Lehre seien.
Der Vertreter des Bildungsministeriums schloss sich der Auffassung an, dass es Forschungslücken gibt, verwies hierbei jedoch auf die Freiheit von Forschung und Lehre sowie auf die hierfür notwendigen Mittel. Die Landesbeauftragte schlug vor, die Landesmittel für den 2018 ausgelaufenen Fonds Heimerziehung von 3,36 Mio. Euro, die nicht abgeflossen und vom Bund an das Land zurücküberwiesen worden seien, für Forschungsprojekte einzusetzen.
Die Ausschussmitglieder brachten ihre Betroffenheit zum Ausdruck. Angesichts des von den Sachverständigen festgestellten Forschungsbedarfs beschloss der Petitionsausschuss, die Petition an die Landesregierung und die Fraktionen des Landtages zu überweisen. Auf diese Weise soll geprüft werden, wie das Land weitere Forschungen unterstützen kann.