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Abschlusspodium "Rehabilitieren, aufarbeiten, bewältigen - aber wie?" mit Referenten und Zeitzeugen, Moderation Jürgen Hingst Foto:LStU/B.Bley


Zwischen Fürsorge und Repression - Heimerziehung in der DDR

Pressemitteilung zur Fachtagung der Landesbeauftragten für MV für die Stasi-Unterlagen der ehemaligen DDR in Kooperation mit den Helios Kliniken Schwerin unter der Schirmherrschaft der Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales

 


Über 100 Fachkräfte aus den Bereichen Politik, Wissenschaft, Justiz, Verwaltung und aus dem medizinisch-therapeutischen Bereich sowie Vertreter des Interessenverbandes „Heimerziehung in der DDR MV“ und Zeitzeugen nahmen vom 20. bis 21. April 2012 an einer von der Landesbeauftragten für Mecklenburg-Vorpommern für die Stasi-Unterlagen und den HELIOS Kliniken Schwerin organisierten Fachtagung in Schwerin teil.

„Bei der Aufarbeitung von Heimerfahrungen in der DDR stehen wir erst am Anfang eines langen Prozesses“, so die Landesbeauftragte Marita Pagels-Heineking. „Deswegen war es unser Ziel, den Austausch zwischen allen am Aufarbeitungsprozess beteiligten Personen und Institutionen weiter zu verbessern und zu intensivieren.“

Zum 1. Juli 2012 soll auch in Mecklenburg-Vorpommern bei der Landesbeauftragten eine Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder der DDR eingerichtet werden. Die Anlaufstelle wird aus einem Fonds finanziert, in den alle ostdeutschen Bundesländer einzahlen. Mecklenburg-Vorpommern wird sich an diesem Fonds mit 2,4 Millionen Euro beteiligen.

„Ich bedauere zutiefst, dass Kindern und Jugendlichen in Heimen der Jugendhilfe der DDR Leid und Unrecht zugefügt wurde“, sagte Frau Ministerin Schwesig, die die Schirmherrschaft für die Veranstaltung übernommen hatte, in ihrem Grußwort. „Wir wollen den Betroffenen Hilfe bei der Bewältigung von Folgen und deren Aufarbeitung anbieten. Dazu soll, wie in den westlichen Ländern, ein Fonds eingerichtet werden, um die häufig nach wie vor bestehenden Belastungen zu vermindern.“

Dr. med. Buhrmann, Chefarzt der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie an den HELIOS Kliniken Schwerin, wies in seinem Vortrag darauf hin, dass Therapeuten die Lebensbedingungen in den DDR-Heimen kennen müssen, um mit der immer größer werdenden Zahl an Klienten über ihre Erfahrungen reden zu können.

Die Tagung war, so die Landesbeauftragte, „für die Vorbereitung der zukünftigen Arbeit der Anlaufstelle ein großer Gewinn. Durch die Vorträge und Diskussionen wurde noch einmal deutlich, dass die regelmäßigen Menschenrechtsverletzungen vor allem in den Spezialheimen der DDR einer weiteren intensiven Aufarbeitung bedürfen. Die Spezialheime der DDR hatten im Unterschied zu den Normalkinderheimen zum Ziel, Kinder und Jugendliche im Sinne der sozialistischen Gesellschaftsordnung umzuerziehen und damit gefügig zu machen.“

Auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns waren nach aktuellen Forschungen insgesamt 6 Spezialkinderheime für Schwererziehbare, 3 Durchgangsheime und 17 Jugendwerkhöfe und Außenstellen angesiedelt. Von 1949 bis 1990 waren in der DDR insgesamt etwa 135.000 Kinder und Jugendliche in Spezialheime eingewiesen worden.

„Umerziehung geht immer einher mit Repression und hat mit dem Fürsorgecharakter von Heimerziehung nichts zu tun“, so der Historiker und Buchautor Dr. Christian Sachse in seinem Vortrag. „Man könne daher auch nicht nur von repressiven Erziehungsmethoden sprechen, sondern muss das Ganze als repressives Unrechtssystem betiteln – angefangen bei den Einweisungsgründen, über die Lebensbedingungen in den Spezialkinderheimen und Jugendwerkhöfen bis hin zu den verweigerten Bildungs- und Entwicklungschancen.“

Noch heute seien ehemalige Insassen aus den Umerziehungsanstalten in vielfacher Hinsicht benachteiligt, so das Fazit eines Gutachtens von Dr. Martin Sack und Ruth Ebbinghaus.

Bei der abschließenden Diskussionsrunde bekräftigten die anwesenden ehemaligen Heimkinder, wie wichtig neben einer materiellen Hilfe, vor allem die gesellschaftliche Anerkennung des erlebten Unrechts ist. Nicht mehr als Kriminelle stigmatisiert, sondern als Opfer wahrgenommen und gehört zu werden, wäre der wichtigste Schritt im Prozess der Rehabilitierung.

 

 

Presse-Kontakt:

Marita Pagels-Heineking, Landesbeauftragte

Jägerweg 2 | 19053 Schwerin

Tel.: 0385 – 734006 | Fax: 0385 – 734007

E-Mail: post@lstu.mv-regierung.de

Internet: http://www.landesbeauftragter.de

 

Hier die Pressemitteilung und der Tagungsflyer als Download.



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